Gestern stand eine der großen Türen meiner Anlage im Gewächshaus offen. Morgens beim Füttern war alles gut zu. Nachmittags beim Kontrollgang alle sieben Tigerfinken draußen. Natürlich waren die Entlüftungsklappen vom Gewächshaus auf, weil die Sonne schien. Nonnen und Muskaten waren noch alle drin, das heißt, die Tür stand erst ein paar Minuten offen. Ein Glück, kein größerer Schaden. Die Tiger sind neugierig. Dachluken zu, aber zu spät, sechs flogen ins Freie. Den letzten konnte ich retten. Er flog nach Wasser suchend in das Abteil, das ich abgetrennt und dessen kleine Tür ich für den Fall, dass die anderen schlau sind, aufgelassen hatte. Diesen dann wieder zurück in das Abteil zu den anderen. Da konnte er jetzt nach seinen Freunden rufen, was er tüchtig tat.
Wieso eigentlich stand die Tür offen? Diese Tür benutze ich nie. Nach jedem Futtergang kontrolliere ich die Riegel. Kein Mensch da, der Schindluder treiben könnte. Ich stehe vor einem Rätsel. Können Katzen so etwas? Zugegeben, die Riegel verschieben sich sehr leicht, es sind offensichtlich die falschen. Ich habe jetzt alle Türen mit Draht gesichert. Menno!
Nach einer unruhigen Nacht ging ich heute früh füttern. Da sind sie noch und fliegen zwischen den Bäumen herum. Im Pulk setzen sie sich auf die Wege und suchen nach Körnchen. Viel finden sie nicht und solch karge Kost sind sie kaum gewöhnt. Ich merke ihnen einen großen Hunger an. Sie fliegen nicht einmal auf, wenn ich nur noch 2 Meter entfernt bin. Vielleicht könnte ja ein offener Käfig mit dem Futter darin etwas helfen. Ich stelle ihn ab und treibe die Gruppe auf den Käfig zu, ganz langsam und mit Bedacht auf gebührenden Abstand und wenig Bewegungen. Da sitzen sie schon direkt davor, vor den Türchen und der begehrten Kolbenhirse dahinter. Sie haben dafür gar keinen Sinn mehr. Doch einer entdeckt den Köder und ich habe ihn. Eilig trug ich den Käfig zur Heimatvoliere. Gerettet. Die anderen fliegen kurz auf und dann wieder auf den Weg. Aufgeplustert und die Sonne suchend klauben sie Krümel für Krümel auf. Mal auf den Weg, mal auf den Rasen. Vom Gewächshaus her hört man die Rufe und den Gesang der beiden. Immer wieder versuche ich sie durch vorsichtiges Treiben auf den offenen Käfig aufmerksam zu machen. Nein, sie fliegen auf, in Nachbars Bäume, wenig drauf wieder auf den Weg. Die einzige Quelle an Nahrung, die sie jetzt noch lockt. Gut, dass bei uns die Pflasterritzen nicht pingelig sauber sind und dort Unkraut auch mal Samen hat. Sie fliegen auf den Rasen. Ich treibe sie vorsichtig Richtung offener Tür des Gewächshauses. Meter um Meter von gefühlten Hundert. Ganz langsam und ganz vorsichtig, sie sollen nicht auffliegen. Und siehe da, im Gewächshaus ist schon mal viel gewonnen. Alle Türen und Luken zu, Verschattung zu ganz schnell und abwarten. Ganz langsam und sichtlich erschöpft findet einer nach dem Anderen zurück in die Voliere, wo Futter und Wasser zur Belohnung standen. Alle wieder vereint! Gerettet! Alle? Beim durchzählen fehlt einer. Ein Letztjähriger hat entweder den Anschluss an die Gruppe verloren oder wurde gegriffen.
Bis auf einen sind alle gerettet. Es lohnt sich, wenn man seine Tiere gut kennt und wenn man bei aller Aufregung nicht in Hektik gerät. Ich bin glücklich, dass das Abenteuer gut ausgegangen ist.
Grüße, Alex